Berliner Morgenpost, 30. März 2022 - Serie „Rundum gesund“
Aktualisiert: 30.03.2022, 06:00 | Lesedauer: 6 Minuten
von Sabine Flatau

Im Sport-Gesundheitspark an der Charité und im Sana Klinikum Lichtenberg bekommen Berliner Kinder mit Adipositas Hilfe.

 

Im Sport-Gesundheitspark an der Charité und im Sana Klinikum Lichtenberg bekommen Berliner Kinder mit Adipositas Hilfe.


Berlin. Sonnenlicht strömt durch die Fenster der Turnhalle. Im Sport-Gesundheitspark Berlin jagen zehn Mädchen und Jungen einem Ball hinterher. Trainer Roland Fiebing hält sie auf Trab. „Alle über die Mittellinie“, ruft er. „Jetzt drei Hock- Streck-Sprünge, wenn der Ball runterfällt.“ Dann das Kommando: „Und jetzt laufen wir noch drei Runden.“ Die Kinder, die seinen Anweisungen folgen, nehmen am Fidelio-Adipositas-Programm teil. Adipositas heißt starkes Übergewicht.

Yaiza, 13 Jahre alt, ist seit einem Jahr dabei. Ihre Mutter habe ihr vorgeschlagen, mitzumachen, erzählt sie. „Ich mache nicht nur Sport, ich halte mich auch beim Essen daran, dass ich abnehmen will.“ In der Grundschule sei sie manchmal gemobbt worden, sagt die Achtklässlerin. „Das ist jetzt nicht mehr so.“ In der Fidelio-Adipositas-Gruppe hat sie Freunde gefunden. Das Training dauert 90 Minuten und findet zwei Mal wöchentlich auf dem Gelände an der Forckenbeckstraße in Wilmersdorf statt. Ceylin (12) hat im vergangenen Herbst angefangen. „Es macht Spaß, ist aber auch sehr anstrengend. Aber ich komme mit allem klar“, erzählt sie. „Der Arzt hat gesagt, ich müsse unbedingt abnehmen.“


Adipositas-Programm Fidelio erhöht die Fitness der Kinder

Jährlich kommen etwa 300 Kinder und Jugendliche in den Sport-Gesundheitspark, um Kondition aufzubauen und Pfunde loszuwerden. „Es ist eine homogene Gruppe. Sie haben andere um sich, die so aussehen wie sie“, sagt Endré Puskas, Abteilungsleiter Kindersport. Im Schul- und Vereinssport seien die Übergewichtigen dagegen meist erfolglos und Außenseiter. Im Fidelio-Programm werden gleich zu Beginn Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer und Körperkoordination der Kinder gemessen. „Das machen wir jedes halbe Jahr. Dadurch sehen wir Entwicklungen“, sagt der Sportwissenschaftler Puskas.

Mit Hilfe der sogenannten Tanita-Waage, die mit elektrischen Impulsen arbeitet, seien die Fettverteilung im Körper, das Muskelwachstum und der Fettschwund erkennbar. Wichtig für den Erfolg ist das regelmäßige Training. „Schnell geht in dem Bereich gar nichts.“ Ein- bis eineinhalb Jahre brauche der eine, zweieinhalb bis drei Jahre ein anderer. „Zuerst verändern die Kinder ihr Verhalten. Sie werden aktiver. Dann wachsen Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer. Das kann man dokumentieren. Erst ganz am Ende geht es ums Gewicht.“


Auch an der Berliner Charité wird Kindern mit Adipositas geholfen

Was die Kinder absolvieren, bezeichnet Endré Puskas als Zapping-Training. „Wie das Zappen am Fernseher.“ Die Sportarten wechseln im Minutentakt. „Erst wird ein Fußball, dann ein Basketball, dann ein Puck ins Feld geworfen. Das Spiel wird nicht unterbrochen. Torwarte gibt es nicht – alles, was passiv ist, haben wir rausgenommen.“ Es gehe nicht um Spieltechnik, sondern um Tore und um Punkte, die im Team erzielt werden. Auch die Räume wechseln. Nach dem Ballspiel trainieren die Kinder am Sonntag im Ergometer-Raum, dann in der Gymnastikhalle und anschließend im 30 Grad warmen Schwimmbecken. Auch Unterwassertrampoline stehen zur Verfügung.

Seit etwa 20 Jahren leitet die Berliner Kinderärztin Susanna Wiegand die Adipositas-Ambulanz für Kinder und Jugendliche im Sozialpädiatrischen Zentrum der Charité Universitätsmedizin Berlin. Dort werden pro Jahr etwa 500 Patienten nach der Methode BABELUGA behandelt. Es ist das Berliner-Adipositas-Therapie-Programm für Kinder, Jugendliche und ihre Familien.

Die Therapie wird individuell geplant. „Wir sehen uns verschiedene gewichtsrelevante Lebensbereiche des Kindes an“, sagt die habilitierte Ärztin. „Und dann schauen wir mit den Familien gemeinsam, wie sie das einschätzen. Und was verändert werden kann.“ Es seien einfache Botschaften, die die BABELUGA-Methode vermittelt. Wie etwa: Keine süßen Getränke. Und: Mehr aktiv als passiv, also mehr Zeit in Bewegung, mit Familie oder Freunden verbringen als am Computer, Fernseher oder Handy. Auch regelmäßiges und gemeinsames Essen gehört zu den Empfehlungen.


Kinder mit Adipositas leiden oft auch an Diabetes

In das Sozialpädiatrische Zentrum der Charité kommen Familien, deren übergewichtige Kinder einen vielfältigen Betreuungsbedarf haben. „Nicht nur ärztliche Hilfe, sondern - je nachdem, was das Problem ist - Physiotherapie, Ernährungstherapie, Psychotherapie oder auch Logopädie.“ Die jungen Patienten haben häufig Mobbing in der Schule erlebt, leiden unter Depression und Angststörung. „Wir sehen auch Familien, die uns über das Familiengericht geschickt werden, wir haben viele Kinderschutzfälle, wir haben viele Familien, die Hilfen zur Erziehung bekommen.“

In der Regel seien die Kinder auch von Folgeerkrankungen wie Diabetes und von orthopädischen Problemen betroffen. „Das ist die Entwicklung der letzten Zeit, nicht nur durch Corona, dass wir immer mehr Kinder und Jugendliche mit wirklich extremer Adipositas sehen“, sagt Susanna Wiegand. „Da reden wir über 150 Kilogramm aufwärts.“

Die BABELUGA-Methode findet auch im Sana Klinikum Lichtenberg Anwendung. Dort kümmern sich die Ärztin Almut Dannemann und ein multidisziplinäres Team um stark übergewichtige Kinder und Jugendliche. „Mops fidel“ heißt das Therapie-Programm. „Wir versuchen, den Kindern die Angst vor der Waage zu nehmen. Sie sollen mit kleinen Schritten anfangen, wie etwa das Trinkverhalten ändern und zum Beispiel Eistee und Cola weglassen“, sagt die promovierte Medizinerin.


Auch der Umgang mit Tieren ist für Kinder mit Adipositas wichtig

Eine Besonderheit von „Mops fidel“ ist der Umgang mit Tieren. „In den Osterferien machen wir einen mehrstündigen Spaziergang mit einem Hund im Grunewald“, sagt Almut Dannemann. „Außerdem besuchen wir regelmäßig den Verein Eselfreunde im Havelland.“ Die Kinder seien begeistert von solchen Unternehmungen. „Tiere nehmen die Kinder so an wie sie sind, denen es ist das Übergewicht egal. Hauptsache, die Kinder sind nett zu ihnen.“ Zudem sorgten solche Aktivitäten für Bewegung.

„Wir sehen, dass sich viele Kinder durch Corona viel weniger bewegt haben, weniger Alltagsaktivität hatten als früher, und deswegen stark zugenommen haben.“ Vermehrt kommen auch Kinder und Jugendliche mit Diabetes zum Gespräch mit Almut Dannemann. „Das macht uns große Sorgen.“

 

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Quelle: https://www.morgenpost.de/berlin/article234947265/Programm-gegen-Adipositas-Hauptsache-Bewegung.html

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