medicalsportsnetwork, Februar 2009
Mit Kraft geht’s leichter
Krafttraining bei Herzerkrankungen
von Dr. Volkmar Feldt
In Deutschland treiben 50% der 30–60-Jährigen keinerlei Sport. Fast 50 % dieser Altersgruppe haben Probleme beim Ersteigen von drei Etagen in einem Wohnhaus. Auch deshalb sind Herzerkrankungen noch immer die -Todesursache Nr. 1.
Dominant ist die koronare Herzkrankheit (KHK). Daneben existieren Herzrhythmusstörungen, Herzklappen- und Herzmuskelerkrankungen. Aufgrund der Häufigkeit wird im Weiteren die KHK thematisiert. Die methodischen Grundsätze gelten jedoch für alle Erkrankungen. Bekanntlich „verkalken“ bei der KHK die Herzkranzgefäße, was zum Herzinfarkt führen kann. Je eher sie entdeckt wird, desto größer sind die Interventionschancen. Ihre Ursachen sind gut erforscht. Bewegungsmangel spielt eine erhebliche Rolle, daneben sind Bluthochdruck, Fett- und Zuckerstoffwechselstörungen, Übergewicht, Langzeitstress und Rauchsucht weitere Risikofaktoren. Bis auf die Rauchsucht sind alle durch Bewegung beeinflussbar. Erfolgen zusätzlich gesunde Ernährung, Rauchverzicht und Stressmanagement können sogar bestehende „Verkalkungen“ rückgängig gemacht werden. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Ausdauertraining direkt auf die Entspannungsfähigkeit der Innenschicht von Arterien wirkt. Der Einlagerung von Plaque wird dadurch entgegengewirkt. Zudem werden die Bestandteile dieser Plaque verstoffwechselt, was die Arterioskleroseneigung ebenfalls reduziert. Ob diese Wirkungen auch durch isoliertes Krafttraining erreicht werden kann, ist zurzeit noch nicht bewiesen.
Dennoch bleibt vielseitige Bewegung das Medikament der Wahl, auch wenn es weitere nicht immer ersetzen kann.
Zu beachten ist, dass für die Gesundheit die Anregung des Stoffwechsels offenbar wichtiger ist, als die absolute Leistungssteigerung. Ein Mehrverbrauch von ca. 2.000 kcal pro Woche durch entspannte körperliche Aktivität in Form von Ausdauer-, Kraft-, Beweglichkeits- und Koordinationstraining gilt als optimal.
Die Anwendung regelmäßiger körperlicher Aktivität bei Herzerkrankung ist eine Erfolgsstory ersten Ranges. Wurde vor 30–40 Jahren noch absolute Schonung empfohlen, ist Bewegung mittlerweile ein absolutes „Muss“, ist der „Herzsport“ das am besten entwickelte System innerhalb des Gesundheitsports.
Anfangs beschränkte sich das Training jedoch auf Ausdauermaßnahmen. Krafttraining galt noch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts als zu belastend, als schädlich.
Gegenwärtige Studien belegen jedoch den Nutzen für die Patienten, selbst bei deutlichen Funktionsschwächen des Herzens (Herzinsuffizienz).
Also: Training wie bei Gesunden? Keineswegs!
Ohne Arzt geht nichts! Je höher der Grad der Erkrankung desto intensiver müssen die ärztlichen Kontrollen sein. Die ergometrische Leistungsdiagnostik ist dabei wesentlicher Bestandteil.
Die Dosis macht das Gift!
Das Prinzip „schneller, höher, weiter“ ist falsch.
Allgemeine Grundlagen
Herzsport ist sportartunspezifisch und verzichtet auf Wettkämpfe sowie Leistungsvergleiche. Im Krafttraining geht es um die systematische Anwendung von Muskelspannungen, die höher sind als im Alltag. Dabei sollen möglichst geringe Blutdrucksteigerungen erfolgen. Diese entstehen proportional zur Intensität (% der Maximalkraft) und zur Dauer der Kontraktionen sowie zur Größe der beteiligten Muskelmasse. Daraus folgt: Kleine Muskelgruppen mit kurzer Dauer ohne maximale Spannungen trainieren. Kraft kann sowohl durch Gymnastik als auch an Kraftmaschinen entwickelt werden. Für die Gymnastik gibt es geeignete Kleingeräte wie „Swing-Stick“, Luftkissen und Elastikbänder.
Auch Kraftmaschinen erlauben ein schonendes Training.
Wie erwähnt ist Krafttraining jedoch kein Selbstzweck, sondern Bestandteil eines aktiven Lebensstils, ist eingebettet in die Entwicklung von Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination. Es sollte alle Hauptmuskelgruppen umfassen und zusätzlich die Atem-, Beckenboden- und Fußhebermuskulatur berücksichtigen. Wichtig sind zudem Sensibilitätsübungen für die Füße.
Ziele
Durch die Fortschritte der Medizin werden Herzpatienten glücklicherweise immer älter. Nahe liegend, die Ziele des allgemeinen Gesundheitsports zu übernehmen:
- Entwicklung der Muskelkraft für die Selbstständigkeit im Alltag
- Erhalt/Aufbau der Muskelmasse
- Erhöhung des Energieverbrauchs durch aktive Körpermasse
- Reduktion der kardialen Risikofaktoren
- Schonung des Herzens durch Minderung des Widerstandes in den Arterien
- Entwicklung des Sensomotorischen Systems
- Sturzprophylaxe
- Steigerung von Selbstwertgefühl und Stimmungslage
- Vermittlung von Bewegungsfreude
- Entängstigung
- Förderung der Alltags- und Freizeitaktivitäten zum Mehrverbrauch von ca. 2.000 kcal pro Woche
- Positive Beeinflussung der Arteriosklerose
Ambulante Herzgruppen am Wohnort
Zu der Erfolgsstory der Rehabilitation von Herzerkrankungen gehören auch die über 8.000 Herzgruppen in Deutschland. Hier wird das Training in der Nähe des Wohnortes unter ärztlicher Anwesenheit von besonders geschulten Sportlehrern durchgeführt, wobei ein interdisziplinäres Netzwerk aus behandelnden Ärzten, Gruppenärzten und Bewegungstherapeuten zum Wohle der Patienten besteht. Lebenslang!
Fazit
Dosiertes Krafttraining hat sich zum wesentlichen Bestandteil des Herzsports ohne große Risiken entwickelt.
Dr. Volkmar Feldt
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